KSP-Interview Teil 1
Schadensersatz statt Abmahnung
Als ich die Räume der Anwalts-Kanzlei KSP in der Hamburger Innenstadt betrat, war ich völlig erstaunt, wie groß diese Kanzlei doch ist. In der Kaiser-Wilhelm-Straße 40 arbeiten fast 500 Mitarbeiter, darunter 60 Anwälte. Eine der Abteilungen - sie beginnen bei A für Arbeits- und Dienstvertragsrecht und endet beim Buchstaben V für Vertriebs- und Franchiserecht - konzentriert sich auf Urheber- und Medienrecht. Dort wollte ich hin. Für ein Gespräch über Urheberrecht und die Strategien der Kanzlei KSP zur Durchsetzung.
Mit Dr. Birgit Rase (Rechtsanwältin) und Dr. Tobias Röhnelt (Geschäftsführender Gesellschafter und Fachanwalt für Urheber und Medienrecht) sprach Dr. Stefan Hartmann
- Frau Dr. Rase, Herr Dr. Röhnelt: Gegenwärtig beherrscht ein Thema nahezu alle Nachrichten und Diskussionen: Covid-19. Wollen auch wir damit ansetzen? Welchen Einfluss hat in Ihren Augen Corona auf die Bildbranche, auf die Bildagenturen?
Dr. Rase: Wir stellen fest, dass infolge Corona die Verfolgung von Rechtsverletzungen und insbesondere die Erlöse hieraus als relevanter Umsatzträger an Bedeutung gewonnen hat.
Die Nachfrage von Agenturen und Verlagen nach anwaltlicher, mengenfähiger Rechteverfolgung steigt, bei uns insbesondere im Bereich von Bild-Content. Auch bislang uninteressierte Unternehmen haben ihre bisherigen Strategien überarbeitet und verfolgen die Rechtsverstöße nunmehr konsequent. Dies hat zu einem spürbaren Anstieg der Fallzahlen auf unserer Seite geführt, was aufgrund unserer skalierbaren personellen und technischen Infrastruktur aber schnell gelöst werden konnte.
Dr. Röhnelt: Die neue Fokussierung auf Mandantenseite zeigt sich auch darin, dass vielfach aktuell in anderen Bereichen pandemiebedingt freigewordene Kapazitäten für das Thema Rechtemanagement genutzt werden. Auch bislang insoweit nicht aktive Mandanten haben hierdurch eine kurzfristige Professionalisierung der Rechtewahrnehmung erreicht.
- Jetzt zur Gegenseite: Lässt sich erkennen, dass sich auch das Verhalten der Urheberrechtsverletzer geändert hat?
Dr. Röhnelt: Pauschal lässt sich dies nicht bestätigen. Es ist vielmehr so, dass eine Verschiebung im Verletzerklientel stattgefunden hat oder gerade stattfindet. Insbesondere im mittelständischen Umfeld nehmen die Rechtsverletzungen pandemiebedingt zu, da offensichtlich bewusst andere Priorisierungen gesetzt werden. Die Bereitschaft das Budget für Bildlizenzen zu nutzen ist spürbar gesunken.
- Wie reagieren Sie in der Kanzlei auf die veränderte Situation?
Dr. Rase: Grundsätzlich verfolgen wir ja bereits seit 2010 einen "kooperativen" statt eines "konfrontativen" Ansatzes: Schadensersatz statt Abmahnung. Das ist auch heute noch für den Rechtsverletzer wesentlich kostenschonender.
- Schon vor Corona gab es ja das bekannte Sprichwort: "Fasse einem nackten Mann in die Tasche..." Das gilt mittlerweile ja leider umso mehr.
Dr. Rase: Auch wir merken natürlich im Zahlungsverhalten die wirtschaftlichen Folgen von Corona auf Seiten der Verbraucher sowie vieler Kleinunternehmen. Daher haben wir unser Modell auch - obwohl die deliktischen Ansprüche nicht unter das Zahlungsmoratorium des Gesetzgebers gefallen sind – bereits früh im Jahresverlauf den aktuellen finanziellen Möglichkeiten angepasst und ermöglichen sehr flexible und individuelle Zahlungsmodalitäten. Hierbei spielen u.a. Ratenzahlungen eine große Rolle.
- Sie sprachen oben von "Schadensersatz statt Abmahnung". Da will ich doch mal genüßlich den advocatus diaboli spielen! Von der Idee her: Abmahnungen dienen ja dem sinnvollen Zweck, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Statt sofort vor die Schranken des Gerichtes zu ziehen, soll derjenige, dessen Rechte verletzt wurden, den Verletzer zunächst kontaktieren und ihm Gelegenheit geben, die Sache außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Was soll daran falsch sein?
Dr. Röhnelt: Das Instrumentarium der Abmahnung ist in der Tat ja grundsätzlich nicht falsch. Insoweit stimme ich Ihnen zu. Allerdings zielt eine Abmahnung auf die Unterlassung gewisser Handlungen ab und verursacht aufgrund des regelmäßig hohen Unterlassungsstreitwerts auch hohe Kosten.
Das ist nach unseren Erfahrungen nicht im Interesse von Urhebern, Agenturen und Verlagen, da durch eine Abmahnung keine Schadensersatzansprüche abgegolten werden, sondern nur die rechtswidrige Nutzung unterbunden wird.
Unsere Mandanten haben regelmäßig vielmehr ein Interesse daran, dass ihre Inhalte genutzt werden und im Gegenzug dafür Lizenzentgelte gezahlt werden. Es gilt also auch in Fällen rechtswidriger Nutzung in erster Linie den Mandanten die Vereinnahmung der zustehenden Lizenzentgelte zu ermöglichen. Die Abmahnung ist dafür das falsche Instrument. Zudem erfolgt unsererseits ja auch eine außergerichtliche Kontaktaufnahme, deren regelmäßige Folge ohnehin die sofortige Löschung ist.
Dr. Rase: Im Kern geht es bei unserem kooperativen Modell um die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen bei unberechtigter Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten – statt der kostenintensiven Abmahnung.
In einem Satz zusammen gefasst: Unsere Mandanten wollen keine formal gewonnenen Prozesse, sondern wirtschaftlich sinnvoll gelöste Fälle. Dieses schlanke und kostengünstige Verfahren erhält das positive Image und die Reputation, die Agenturen und Verlage genießen.
- Wollen wir hier eine Pause machen? Und im zweiten Teil unseres Gesprächs dann u.a. auf die europäische Perspektive des Urheberrechts und auf die Subscription Economy zu sprechen zu kommen.